KLARE KOMMUNIKATION - WÜNSCHE, BEDÜRFNISSE, GRENZEN

"DU WEISST DOCH, WIE ICH DAS MEINE!"

Wenn wir in Beziehung gehen (dabei ist es egal, ob es sich um eine freundschaftliche, eine familiäre oder amouröse Beziehung handelt und ob sie monogam, polygam oder polyamor etc. ist), dann treffen unterschiedliche Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse aufeinander. Ebenso individuell ist dabei die jeweilige Art und Weise, wie kommuniziert wird.

 

Die einen sind sehr klar und sagen direkt, was Sie möchten. Die anderen können der Meinung sein, dass der Partner doch wissen müsse, was man meint und möchte. Wiederum andere benutzen Umschreibungen oder vorsichtigere Formulierungen um dem Partner mitzuteilen, was sie sich wünschen oder brauchen.. 

Wenn verschiedene Kommunikationsarten aufeinandertreffen, kann dies schnell zu Missverständnissen und Enttäuschungen führen, die womöglich sogar die Beziehung gefährden können.

DIE KLEINEN, FEINEN UNTERSCHIEDE

Viele Paare sind der Meinung, dass sie eine sehr gute Art der Kommunikation haben.

Sie reden darüber, was sie beschäftigt, was Ihre Ängste sind, reden über Themen des Alltags und ähnliches. Dennoch kommt es vor, dass es kleine, aber bedeutende Feinheiten gibt, in denen die Kommunikation nicht bei beiden übereinstimmt. Ich möchte dies anhand eines Beispiels aus der Praxis verdeutlichen.

EIN BEISPIEL AUS DER PRAXIS: ANNE UND SEBASTIAN

Die Namen der Personen und  Orte sind verändert.

Folgende Situation:

Anne und Sebastian sind seit 3 Jahren ein Paar. Sie sind im Winter im Urlaub am Meer und entscheiden sich, nachmittags spazieren zu gehen. Sie wollen zu ihrem Lieblingsort: An die Seebrücke. Es bleiben ihnen noch etwa 1-2 Stunden Zeit, bis die Sonne untergeht. 

Sebastian: „Ich würde dann gerne noch auf die Seebrücke gehen.“

Anne: „Ich möchte noch kurz an den Strand, ein paar Muscheln sammeln. Wenn es dann zu dunkel ist, sehe ich nichts mehr.“

Sebastian verspürt innerlich einen wachsenden Groll, denn er befürchtet, dass es dann schon dunkel ist, bevor er auf die Seebrücke kann. Er sagt ihr dies aber nicht, weil er weiß, wie sehr es Anne liebt, Muscheln zu suchen, um zu entspannen.

Kurz bevor sie am Übergang zum Strand sind, sieht Anne einen kleinen Laden, in dem unter anderem Kaffee verkauft wird und sagt: „Das wäre jetzt toll, am Strand einen Kaffee zu trinken.“ 

 

Plötzlich fängt Sebastian an, sie wütend und energisch zu fragen, was das jetzt solle. Dass sie doch weiß, dass es bald dunkel wird, er unbedingt auf die Seebrücke will und dass man beides so schon kaum schafft – am Strand Muscheln sammeln und in Ruhe auf die Seebrücke zu gehen - dann wäre das schöne Licht weg. 

Sebastian: „Wieso willst du jetzt einen Kaffee holen, da steht ein Haufen Leute an. Wir haben doch eben zu Hause einen Kaffee getrunken?“

Anne ist verletzt und wird dadurch wütend, weil sie nicht versteht, warum er sie aus heiterem Himmel so anfährt und aufbrausend ist. Sie wollte doch keinen Kaffee holen, sondern nur mitteilen, dass es in ihrer Vorstellung sehr schön wäre, mit einem heißen Kaffee in der Hand am Strand entlang zu spazieren. 

 

Beide sagen, was sie sich wünschen (wobei Sebastian sogar etwas zurücksteckt, damit seine Partnerin sich wohl fühlt), aber auf eine unterschiedliche Art und Weise. Dementsprechend versteht auch jeder die Aussagen des anderen unterschiedlich.

WAS IST DA IN DER KOMMUNIKATION SCHIEF GELAUFEN?

Anne hört, dass Sebastian zwar auf die Seebrücke möchte, für ihr Verständnis hat er es aber als Wunsch formuliert bzw. als Möglichkeit im Sinne von „Ich würde gerne….“.

Für Sebastian ist es aber in dem Moment sehr wichtig auf die Seebrücke zu gehen. 

Es ist ein starker Wunsch.

 

Im weiteren Verlauf möchte Anne nur ihren Gedanken mitteilen, dass ein Kaffee schön wäre. Sie benennt auch einen Wunsch bzw. eine Möglichkeit, der sie aber nicht nachgehen will. 

Da es aber Sebastians Art der Kommunikation ist, Bedürfnisse oder Absichten als Möglichkeiten oder Wünsche zu formulieren, sieht er in ihrer Aussage eine Absicht, den Kaffee jetzt auch tatsächlich zu holen bzw. sogar einen an ihn gerichteten Handlungsauftrag :„Hol mir einen Kaffee.“

 

Er reagiert wütend, weil er sich in diesem Moment als nicht gesehen und gehört fühlt. Sebastian denkt: „Sie muss doch wissen, dass mir das wichtig ist auf die Seebrücke zu gehen, bevor es dunkel ist. Ich habe sogar zugestimmt, erst an den Strand zu gehen und sie will trotzdem Kaffee holen, obwohl da so viele Menschen stehen.“ 

WIE KANN MAN SOLCHE SITUATION VERHINDERN?

Es kann hilfreich sein, sich schon zu Beginn einer Beziehung darüber auszutauschen, wie man Bedürfnisse kommuniziert – besser noch: Wie man möchte, dass sie der andere kommuniziert. 

Bezogen auf das Beispiel von Anne und Sebastian bedeutet das Folgendes:

 

Anne wünscht sich lieber eine direkte, klare Ansprache. 

Sie hätte sich von Sebastian folgendes gewünscht: „Ich möchte auf die Brücke, bevor es dunkel ist und den Sonnenuntergang und den Himmel betrachten. Das wäre mir sehr wichtig heute.“ Vielleicht hätte sie dann auch auf den Strandspaziergang an diesem Tag verzichtet, weil ihr Wunsch nicht so stark war, wie seiner. Oder sie hätten sich kurz getrennt und sie wäre dann zu ihm auf die Brücke zurückgekommen. Die Möglichkeit, Kompromisse zu suchen und zu finden wird durch diese Klarheit erst ermöglicht. 

Sie sagt ihm weiterhin: „Wenn ich einen Kaffee trinken möchte, dann sage ich: Ich hole mir jetzt einen Kaffee und wenn ich gerne hätte, dass du es tust, dann frage ich dich: Kannst du mir bitte einen Kaffee holen?“

 

Er wird versuchen, wichtige Wünsche dementsprechend klar zu kommunizieren und sie wird nachfragen, was er meint, wenn er einen Wunsch äußert. Sie haben beide nach Klärung dieses Konfliktes gemerkt, dass sie die Dinge oft anders ausdrücken und anders verstehen, als sie gemeint sind. 

WAS PASSIERT, WENN WIR UNSERE KOMMUNIKATIONSMUSTER NICHT ERKENNEN?

Wer nicht kommuniziert, oder für den anderen nicht verständlich (andere Kommunikationsmuster) erhöht die Gefahr, dass sich im Laufe der Zeit viel Frust und Unzufriedenheit anstaut und die gemeinsame Verbindung geschwächt wird.

 

Gehen wir hierfür wieder zurück zu Anne und Sebastian:

Wenn sich die jeweilige Art der Kommunikation fortsetzt, fühlt sich Sebastian dauerhaft nicht gesehen. Für ihn fühlt es sich so an, als hätten seine Bedürfnisse keine Bedeutung und er hält sie wahrscheinlich für egoistisch und undankbar, weil sie immer ihre Bedürfnisse durchsetzt aber seine ignoriert.  

„Ich tue immer alles für sie und wenn ich etwas mal wirklich möchte, übergeht sie meine Wünsche.“

 

Anne könnte mit der Zeit ablehnend und wütend werden, weil sie nicht versteht, warum Sebastian in manchen Situationen plötzlich so aufbrausend wird. Gleichzeitig wird sie angespannt und unter Druck sein, weil sie ständig versucht herauszufinden, wann ihrem Partner etwas wirklich wichtig ist und wann nicht. Sie könnte ebenso genervt sein vom überschwänglichen Aktionismus ihres Partners. Er tut Dinge, die sie nicht von ihm wollte, die sie aber vielleicht mal als Gedanken erwähnt hat. Er ist dann sauer, weil sie nicht dankbar dafür ist, was er für sie tut. 

FAZIT

Ohne Klärung dieser kleinen Feinheiten wird es immer wieder Missverständnisse geben. 

Es lohnt sich, sich mit den eigenen Kommunikationsmustern zu beschäftigen und zu lernen, klarer und direkter miteinander zu sprechen. Manch einer hat vielleicht Angst, den anderen mit eigenen Bedürfnissen oder Grenzen zu verletzen und damit die Beziehung zu gefährden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. 

Eine offene und ehrliche Kommunikation schenkt euch eine tiefere Verbindung.

Sie sorgt dafür, dass man sich selbst dem anderen besser zeigen kann - dem anderen ermöglicht es ein besseres Verständnis.

Schuld und negative Gefühle für unerfüllte Bedürfnisse landen so nicht mehr beim Partner.

Ihr wachst gemeinsam.

Durch eine klare Kommunikation übernehmt ihr die Verantwortung für euch, für eure eigenen Bedürfnisse und eure eigene Zufriedenheit. 

 

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