WIE GEHE ICH MIT DER PSYCHISCHEN KRANKHEIT MEINES PARTNERS UM?
Laut einer Studie sind in Deutschland jedes Jahr 27,7 % der erwachsenen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. (Quelle: https://www.springermedizin.de/psychische-stoerungen-in-der-allgemeinbevoelkerung/8064882 )
Und mindestens 40 Prozent aller Menschen leiden im Laufe ihres Lebens an einer psychischen Erkrankung. (Quelle: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/Forschungsnetz-psychische-Erkrankungen.php )
Die Statistik psychischer Erkrankungen wird angeführt von der Angststörung mit über 15%, gefolgt von der unipolaren Depression und Störungen, die aus Alkohol- und Medikamentenmissbrauch resultieren.
VOR DER DIAGNOSE
Manchmal dauert es eine lange Zeit, bis der Leidensdruck, der aus einer psychischen Erkrankung entsteht, so groß wird, dass sich ein Partner traut, das Thema offen anzusprechen. Manchmal ist auch keinem zu Anfang bewusst, dass etwas nicht stimmt. Ängste und Depressionen entwickeln sich schleichend und sind in der Symptomatik nicht gleich ganz eindeutig. Bei Frauen kann sich beispielsweise eine Depression durch Abgeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und Unruhe bemerkbar machen. Bei Männern kann eine erhöhte Reizbarkeit, aggressives und sogar antisoziales Verhalten vorkommen.
Bei einer Angststörung könnten körperliche Symptome wie schneller Herzschlag, hoher Blutdruck und starkes Schwitzen auf ein Herzleiden schließen lassen, bevor die eigentliche Ursache diagnostiziert wird.
Wenn du der Meinung bist, dass dein Partner unter psychischen Probleme leidet, solltest du es vorsichtig und achtsam ansprechen.
Es kann passieren, dass er darauf erstmal abweisend oder wütend reagiert, weil er sich dies eventuell nicht eingestehen möchte, sich schwach fühlt, oder sich selber erst einmal schützen muss. Vielleicht denkt er auch, dass du ihn nicht ernst nimmst und du glaubst, dass er sich seine Schmerzen oder Leiden nur einbildet. Du solltest ihm dennoch zeigen, dass du dich sorgst und unterstützen möchtest. Manchmal braucht es etwas Zeit und das Gefühl von Sicherheit in der Beziehung, bis der nächste Schritt getan werden kann und sich dein Partner Hilfe sucht.
DEIN PARTNER IST PSYCHISCH KRANK
Die Diagnose einer psychischen Erkrankung und vor allem auch die Zeit davor stellt für eine Beziehung eine herausfordernde Zeit dar. Jede Art von Erkrankung beeinflusst nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch das gesamte Beziehungsgefüge. Oft ziehen psychische Belastungen auch körperliche mit sich - wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, emotionale Armut oder sich überschlagende Emotionen, schwere Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen, Libidoverlust und vieles mehr. In diesem Beitrag möchte ich dir ein paar hilfreiche Ansätze bieten, wie du mit der Erkrankung deines Partners besser umgehen kannst. Ihr könnt euch dies auch zusammen durchlesen und darüber sprechen um einen Einstieg zu finden.
1.INFORMIERT EUCH ÜBER DIE ERKRANKUNG
Informiert euch zusammen über die psychische Erkrankung, über Symptome, über mögliche Therapien und die Herausforderungen oder Hürden, die damit verbunden sind. Lass dir erklären, wie sich die Erkrankung anfühlt und wenn etwas nicht verständlich für dich ist, dann frage nach.
2. EMPATHIE UND VERSTÄNDNIS
Versuche dich in deinen Partner hinein zu versetzen, seine Gefühle und Situation nachzuvollziehen. So kannst du ihn besser verstehen und seine Situation in Ansätzen nachfühlen. Dies bedeutet im Gegenzug auch, dass der erkrankte Partner sich auch in deine Lage versetzen muss um zu verstehen, warum du dich auch mal abweisend verhältst oder Freiraum für dich brauchst. Dass dies keine gegenseitige Ablehnung darstellt, sondern eine notwendige Selbstfürsorge.
3. SPRECHT OFFEN ÜBER ÄNGSTE UND BEDÜRFNISSE
Eine offene Kommunikation ist unerlässlich. Sprecht regelmässig über eure Gefühle, Ängste und Bedürfnisse. Auch negative Emotionen brauchen ihren Raum. Du kannst deinen Partner auch direkt fragen, wie du ihn unterstützen kannst, denn jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse. Der eine möchte lieber Ruhe, der andere braucht viel Ablenkung. Vermeide also Annahmen oder schnelle Urteile, sondern höre aktiv zu und frage nach, wenn dir etwas unklar ist.
4. ES IST EIN MARATHON UND KEIN SPRINT
Seid geduldig. Dies betrifft euch beide gleichermaßen. Der Umgang mit einer psychischen Erkrankung ist oft ein langwieriger Prozess. Sowohl Fortschritte, als auch Rückschläge sind normal. Es kann Zeiten geben, in denen sich dein Partner anders verhält, als du es gewohnt bist. Manchmal laufen die Emotionen über, oder sie fehlen fast gänzlich. Es braucht die Geduld beider einen Raum zu schaffen, um zu "heilen".
5. CO-ABHÄNGIGKEIT VERMEIDEN
Co-Abhängig bedeutet, dass du dich übermäßig um das Wohlergehen deines Partners kümmerst und dabei eigenen Bedürfnisse vernachlässigt. Es kann passieren, dass dich dein Partner bittet, bei ihm zu bleiben, wenn es ihm besonders schlecht geht. Das ist in einer Beziehung etwas Selbstverständliches. Zu einem abhängigen Verhältnis wird es, wenn sich dies zu einem Dauerzustand entwickelt. Wenn du immer weiter deine sozialen Kontakte einschränkst sowie deine Hobbys und Unternehmungen und dein Leben um deinen Partner baust, damit dieser sich nicht schlecht fühlt, dann ist das eine ungesunde Beziehungsdynamik und kann bei dir ebenso zu psychischen Problemen führen.
Du kannst dir auch Selbsthilfegruppen für Angehörige suchen, oder Menschen, mit denen du offen über deine Probleme, Ängste und deine Herausforderungen sprechen kannst. Ein Ausgleich ist immer wichtig. Finde Aktivitäten, die dir Spaß bringen und deine Akkus auftanken und gönne dir Ruhe, wenn du sie brauchst. Nur wenn du dich gut um dich kümmerst, kannst du eine gute Unterstützung für deinen Partner sein.
6. HILFE ZUR SELBSTHILFE
Du kannst niemals der Therapeut deines Partners sein, auch wenn du ihm gerne helfen möchtest. Das kann man nicht oft genug erwähnen. Du hilfst ihm dann am meisten, wenn du mit ihm besprichst, wie der weitere Weg aussehen kann. Du kannst helfen, indem du Telefonnummern von Therapeuten raussuchst, Selbsthilfegruppen ausfindig machst, bzw. deinen Partner motivierst, etwas für die Besserung seines Zustandes zu tun.
7. GRENZEN SETZEN
Spüre ganz aktiv und bewusst in dich hinein und achte darauf, was du gerade brauchst. Gerade im Bezug auf das Thema Co-Abhängigkeit ist dies sehr wichtig. Sprecht offen über Schuldgefühle und Hilflosigkeit aber auch über eigene Bedürfnisse und eigene Gesundheit. Natürlich fühlt es sich nicht richtig an, wenn es dem Partner nicht gut geht und man trotzdem zu Freunden zu einer Feier fährt. Aber wie bereits erwähnt, ist dies eine Frage der Häufigkeit. Ich wiederhole mich, aber: Du kannst und solltest als Unterstützer agieren, jedoch nicht als Therapeut und dein Leben hinten anstellen. Der Erkrankte hat nämlich ebenso die Verpflichtung für sich zu sorgen und dich nicht missbräuchlich zu behandeln. Dies ist ein sehr schmaler Grad und eine Co-Abhängigkeit entwickelt sich schleichend. Falls der erkrankte Partner schon in psychologischer Behandlung ist, kannst du auch fragen, ob du einmal mitkommen kannst, um selber zu fragen, wie du dich verhalten sollst.
Oft is der Erkrankte wütend, traurig und enttäuscht, wenn du Grenzen setzt, weil das als Ablehnung gedeutet werden kann, aber genau das ist manchmal nötig, um einen Schritt vorwärts zu kommen. Dies ist vor allem nötig, damit du deine psychische und/oder körperliche Gesundheit nicht gefährdest. Es ist notwendig, damit du dich liebevoll um dich kümmerst und dich auch distanzierst, wenn deine Gesundheit auf dem Spiel steht.
8. JEDEN SCHRITT VORWÄRTS ANERKENNEN
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Man merkt nicht, wie sich etwas in kleinen Schritten bessert. Versucht auf die kleinen Fortschritte zu achten und honoriert jeden. Nutzt jede "gute Zeit" und schafft euch schöne Erlebnisse. Dadurch zahlt ihr in guten Zeiten auf das "Beziehungskonto" ein und habt Reserven für die weniger guten Momente.
Ich wünsche jedem Betroffenen viel Kraft und Energie um diese Zeit bestmöglich zu meistern.