"Du hast stark zugenommen.“ , „Du bist zu dick!“
darf ich das meinem Partner sagen?
Darf man dem Partner sagen, dass er zu dick geworden ist? (… oder zu dünn, oder dass er/sie sich gehen lässt?) Die erste Reaktion, ohne nachzudenken wäre „Bloß nicht!“ Aber warum eigentlich nicht?
Natürlich ist das ein sehr heikles Thema mit verschiedenen Herangehensweisen.
Zum einen könnte man argumentieren, dass es doch sehr oberflächlich sei, nur auf das Äußere des Partners zu achten. Der geliebte Mensch besteht aus weit mehr Facetten, als nur aus seiner Konfektionsgröße.
Und es stellt sich die Frage, was man denn selbst so zu bieten hat, dass man den Partner in seinem Äußeren kritisiert?
Was ist dein motiv?
Wichtig dabei ist das Motiv, aus dem wir hier Kritik am anderen üben: Sorgen wir uns wirklich um den Partner und um seine Gesundheit? Sind wir mit etwas in unserem Leben unzufrieden und schieben es auf den anderen ab, um nicht auf uns selbst schauen zu müssen? Ist uns der Partner peinlich? Oder kritisieren wir ihn, weil andere denken, er wäre zu dick? Der erste Schritt liegt somit erstmal bei uns selbst.
"Wenn ich keine Pizza mit salami mag, mag ich keine pizza mit salami."
Generell haben wir bestimmte Typen von Menschen, die wir attraktiv finden. Der eine findet Menschen mit mehr Rundungen attraktiv, der andere eher muskulösere. Der eine bevorzugt blonde Frauen, der andere dunkelhaarige. Dies sind nicht kontrollierbare Anziehungsmerkmale.
Das hat auch wenig mit Diskriminierung zu tun und ich muss mich nicht schlecht fühlen, wenn ich meinen Partner mit 30kg mehr auf den Rippen nicht mehr so attraktiv finde. Ganz stark heruntergebrochen: Wenn ich keine Pizza mit Salami mag, dann mag ich keine Pizza mit Salami.
Natürlich spielt bei der Partnerwahl der gesamte Mensch eine Rolle – denn neben dem Aussehen verlieben wir uns in das Wesen des Anderen, wodurch er für uns gleichermaßen auch optisch attraktiv(er) wird. Im Laufe einer Partnerschaft kann es jedoch dazu kommen, dass sich das Aussehen des Gegenübers - jenseits des normalen Alterungsprozesses - stark verändert. Ich rede hierbei nicht von kurzfristigen Veränderungen - beispielsweise bei Krankheiten, bei Schwangerschaften etc., sondern von Veränderungen dauerhafter Natur. Meist hervorgerufen durch eine gleichzeitig veränderte Lebensführung oder andere Prioritäten.
Natürlich ist es entspannend, wenn ich nicht ständig schauen muss, was ich esse, ob mein Kleid richtig sitzt, ob das Make-up perfekt ist, ob die Skinny-Jeans schön eng sitzt oder ob der Bauch darüber lappt. Wenn mein Partner mich aber nur noch im Schlabberlook mit der Chipstüte in der Hand auf dem Sofa sieht ( ja ich weiß, ich habe die Schublade sehr weit aufgemacht), kann das durchaus der erotischen Anziehung abträglich sein. Spreche ich das aber offen aus („Du bist zu dick.“) kann sich das wiederum auch negativ auf die Libido des so kritisierten Partners auswirken. Unser Sexualleben wäre dann zusätzlich von einer Abwärtsspirale bedroht.
"Das kann nur in die Hose gehen."
Wie spricht man dieses Thema also ohne unerwünschte Nebenwirkungen an?
„Das kann nur in die Hose gehen.“ trifft es dabei ganz gut.
Auf den Hintern der Frau zu klatschen und dabei zu sagen: „Da ist ja ganz schön was draufgekommen.“ ist schonmal der falsche Weg.
Bei einer ersten Recherche im Internet stieß ich auf - für mich -viele weichgespülte Antworten.
Da heißt es, man müsse das Thema einmal benennen mit „Du hast zugenommen, ich mache mir Sorgen um deine Gesundheit“ und dann solle man es beim anderen sacken lassen und es später erneut ansprechen. Anderes Beispiel: „Du rauchst in letzter Zeit sehr viel, ich mache mir Sorgen um deine Gesundheit.“ Meint ihr, dem anderen fällt es dann wie Schuppen von den Augen und er ändert etwas an seinem Verhalten? Jeder funktioniert anders und kann mehr oder weniger mit Ehrlichkeit umgehen oder ist mehr oder weniger in seinem Selbstwert verletzt. Also sind hier sicherlich auch viele verschiedene Herangehensweisen denkbar.
was also tun?
Man könnte in einer Beziehung eine Vereinbarung treffen, dass man es sich gegenseitig sagt, wenn der andere eine ungute Richtung einschlägt- sozusagen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, wenn beide gleichermaßen Wert auf bestimmte Dinge legen und mit der Ehrlichkeit umgehen können (was tatsächlich die Wenigsten können).
Insofern der eine Partner schon unzufrieden mit sich ist, brauchst du das nicht nochmal extra betonen. Lass ihm Zeit, die eigene Unzufriedenheit in eigene Veränderung zu verwandeln. Hinzu kommt: Manchmal haben wir auch einfach keine Energie für Veränderungen - da ist vielleicht das schwere Studium, in dem man viel lernen muss und dann einfach nur schlafen will, anstatt einen Salat zu knabbern und im Fitnessstudio zu schwitzen. Dann gibt es Probleme mit der Familie, mit Krankheiten, Freunden, einfach Dinge, die in dem Moment wichtiger sind und die ganze Energie in Anspruch nehmen.Veränderungen kosten eine Menge Energie. Und für die müssen wir den richtigen Zeitpunkt finden.
Wie stößt man Veränderungen an, ohne jemandem direkt seine Meinung aufzuzwingen? Wie bringt man Menschen eher dazu, etwas zu tun: Wenn man ihnen vorschreibt, was sie zu tun haben und falsch machen? Oder, indem man ihnen etwas vorschlägt oder vorlebt?
Geteiltes Leid...
„Schatz, ich würde mich freuen, wenn wir regelmäßig zusammen etwas machen könnten, um wieder etwas fitter zu werden. Worauf hättest du Lust?“Das muss nicht von Erfolg gekrönt sein, wäre aber eine seichtere Herangehensweise und der vorschlagende Part merkt auch selber, welche Überwindung die dauerhafte Veränderung kostet. Weg von: „Du musst“...hin zu „Wir könnten...“
Zusammen ist man motivierter, beide müssen da durch und können als Paar etwas zusammen schaffen. Dies geht übrigens auch mit Eltern, Verwandtschaft und Freunden: Anstatt anderen vorzuschreiben, wie sie ihr Leben zu führen haben, oder dass sie sich schlecht ernähren, eine schlechte Lebensführung haben (natürlich immer aus der Sicht des „sich-Sorgen-Machenden“), schlage etwas vor, was ihr zusammen machen könntet.
Ändere Das, was du ändern kannst: Dich
Du kannst andere nicht ändern- aber dich! Geh als gutes Beispiel voran: Wenn du immer nach dem Mittagessen eine halbe Stunde spazieren gehst und danach erzählst, wie gut dir das tut, wird irgendwann der Punkt kommen, an dem dein Partner vielleicht sagt „Ach, heute komme ich mit“ und sich daraus vielleicht eine neue Routine entwickelt, weil ER die Idee hatte, dies zu tun. Aber so etwas dauert. Das ist nicht in ein bis zwei Wochen der Fall, sondern passiert manchmal erst nach Monaten. Ich kann andere nicht zwingen sich zu ändern- nur wenn der andere es möchte, kann er es für sich tun. Dieser Punkt ist übrigens wesentlich: eine Veränderung, die ich nur dem Partner zuliebe vollbringe, wird auf Dauer nicht wirken. Sie führt eher zur Frustration. Erst die Veränderung, die ich zur eigenen Sache gemacht habe, kann nachhaltig sein.
kurz und knapp
Fazit: Überlege, warum du kritisierst. Sag‘s nicht direkt, außer du hast keine Lust mehr auf Intimität oder Sex und möchtest den anderen verletzen. Ändert gemeinsam eure Gewohnheiten. Und nehmt euch dazu Zeit.
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