Das Symbolbild meiner Arbeit als Paarberaterin:
der rote faden der intimität
von Franziska Krause
"Schaut euch in die Augen."
Während meiner über 14 jährigen fotografischen Tätigkeit fertigte ich bei Familienshootings auch Fotos von den Eltern (ohne Kinder) an - als kleine Erinnerung, dass sie nicht nur Mama und Papa sind, sondern auch noch Mann und Frau. Die scheinbar einfache Anweisung " Schaut euch in die Augen", um das Paar lockerer zu machen, bewirkte in vielen Fällen das genaue Gegenteil: Ein flüchtiger Blick, verschämtes Lachen, Ablenken von der Situation. Ein Blickkontakt konnte kaum gehalten werden, zu groß waren das Schamgefühl und die Distanz zwischen ihnen. Teilweise war dies auch ein Resultat von Konflikten, die noch ungeklärt unter der Oberfläche schwelten und so einen intimen Blickkontakt unmöglich machten.
Wenn es in langen Beziehungen zu einem Abflauen der Sexualität kommt, wird dies meist als natürlicher Verlauf angesehen. Es ist scheinbar normal, dass nach 20 Jahren Beziehung, die Leidenschaft verschwindet und mit ihr das sexuelle Interesse am Gegenüber. In gewisser Weise ist das auch so. Aber ebenso verschwinden die kleinen alltäglichen Zuwendungen. Ein kurzes Streicheln über den Arm, wenn man im selben Zimmer ist, ein Blick in die Augen, ein zärtlicher Kuss auf die Stirn, liebe Worte, die zeigen, was man an dem Anderen schätzt. Kaum jemand bedankt sich nach ein paar Jahren in Beziehung dafür, dass der andere kocht, immer hilfreich zur Seite steht, dass er die Spinnen im Bad tötet. Doch genau diese Kleinigkeiten sollten sich wie ein roter Faden durch unsere Beziehung ziehen.
Der rote Faden bezeichnet dabei ein Grundmotiv oder einen Leitgedanken, er bietet Halt und Orientierung.
Woher kommt der Ausspruch?
In vielen Quellen, unter anderem auch in Goethes Wahlverwandtschaften von 1809, heißt es, dass der "rote Faden", von dem wir heute sprechen, aus der Seefahrt komme. Vor vielen hundert Jahren passierte es häufiger, dass Seile von Schiffen entwendet wurden. Ab dem 18. Jahrhundert wurde deshalb in die Seile der englischen Marine ein roter Faden eingewebt. Man konnte diesen roten Faden nicht einfach entfernen, ohne das gesamte Seil zu zerstören.
Der rote Faden dient hier als Sinnbild für Schutz und Zusammenhalt. Gleichermaßen ist die Intimität für mich ein roter Faden - eine der wichtigsten Grundvoraussetzung für lange, glückliche Beziehungen.
Intimität in langen beziehungen
Viele verstehen unter dem Begriff Intimität in erster Linie etwas im sexuellen Kontext - es liegt jedoch viel mehr darin. Intimität ist eine besondere Form der (Selbst-) Offenbarung und Zuneigung gegenüber einem anderen Menschen. Sie beschreibt in der Paarbeziehung eine tiefe Vertrautheit auf mentaler und auf körperlicher Ebene. Partner teilen ihre innersten Anteile an Gedanken, Emotionen, ihre Geschichte und drücken ihre Verbundenheit auch auf körperlicher Ebene mit Berührungen, Küssen, Sex und verliebten Blicken aus.
Im Laufe einer Beziehung kann die Intimität und mit ihr die gesamte Beziehung geschwächt werden. In verschiedene Lebensphasen werden Prioritäten verschoben, oft zu Lasten der Beziehung, manchmal nur kurzweilig, manchmal aber auch dauerhaft - zB. wenn Kinder in die Beziehung kommen, wenn die Arbeitsbelastungen zu groß werden, oder es anderweitige familiäre oder eigene Krisen zu bewältigen gilt.
eine kleine übung
Es kann hilfreich sein, sich wieder an diese alltäglichen und scheinbaren Nebensächlichkeiten zu erinnern und sie aktiv zu "üben". Das klingt erst einmal furchtbar unromantisch und unspontan. Die Nähe zu verlieren passiert von ganz allein und unmerklich, aber sie wieder zu bekommen, erfordert Arbeit. Nehmt euch einen Abend Zeit, verabredet euch. Setzt euch zB auf euer Sofa und kommt zur Ruhe. Wenn ihr es möchtet, könnt ihr auch Musik laufen lassen oder Kerzen anzünden - all das, was euch hilft, zu entspannen.
Nun schaut euch 3 Minuten lang in die Augen, ohne ein Wort zu sagen, ohne den Blick abzuwenden. Erspürt, was in euch geweckt wird und versucht es auszuhalten.
Nach dieser Übung könnt ihr eure Gedanken teilen. Es ist eine kleine Bestandsaufnahme, bei der ihr erkennen könnt, wo ihr in eurer Beziehung in diesem Moment steht. Fühlt ihr Scham, Wut, Verbundenheit, Trauer, Glück? Alle diese Emotionen dürfen sein und dienen als hilfreiche Wegweiser. Vielleicht wirkt diese Übung auch wie die Motorwarnleuchte im Auto, die plötzlich gelb leuchtet.
Ihr könnt so weiter "fahren" wie bisher, aber auf Dauer schadet es (der Beziehung) - vielleicht sogar irreparabel.
Fazit
Sich wieder aktiv dem Partner zuzuwenden, sei es durch liebevolles Streicheln im Vorbeigehen, durch Küsse, durch Teilen von Gedanken und durch Gespräche und damit verbundenes Interesse an den Gedanken des Anderen, kann helfen, sich wieder näher zu kommen und bewusst zu machen, was der Partner einem bedeutet.
Natürlich spielen beim Thema Sexualität und Intimität - gerade bei sehr langen Beziehungen - viele äußere und innere Einflüsse eine Rolle. Hier alle aufzuzeigen und differenziert zu erklären sprengt den Rahmen.
Interessierten kann ich hierfür zwei Bücher von David Schnarch ( US-amerikanischer Paar-, Sexual- und Traumatherapeut) sehr ans Herz legen: "Die Psychologie sexueller Leidenschaft" und "Intimität und Verlangen"
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